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Bücher im Keller

Unsere Volksbibliothek ist im Keller. Wer Bücher will, muss in den Untergrund. Ganze Schulklassen gehen über Jahre in den Keller, wenn sie Lesestoff möchten. Ein ungemütlicher Ort. Jahrelang mit sehr schlechter Beleuchtung, Kellerfunzeln halt.

Nun soll im Dorf  gebaut werden, ein neues Verwaltungsgebäude. Grosse Pläne. Gestern auf Seite drei  der Zeitung ein Artikel und das Modell. Da steht unter anderem: ‹Für den Untergrund gilt: je tiefer, desto geheimer›. Da sei von Norden her die Anlieferung geplant und der Eingang für jene Leute, die in Polizeigewahrsam dem Richter im – luftigen – Obergeschoss vorgeführt werden sollen. Und – ebenfalls als geheim eingestuft: die neue Volksbibliothek. Wer Bücher will, muss auch in Zukunft in den Untergrund.

Was für eine Botschaft an die lesende Bevölkerung. Und an die übrige ebenfalls.

Oberflächlich und am Tageslicht ist der Griff zum Handy allemal mit weniger Mühe verbunden. Auch da gibt’s zu lesen. Und gleichzeitig Videos, Bilder, Musik. Wenn etwas langweilt, rasch wischen, kein Gang ans nächste Regal. Kein trockenes Seitenumblättern und langsam in eine Geschichte eintauchen. Hüpfen von Bild zu Bild, von Info zu Info. Spassig – und die Zeit geht im Hui vorbei. Was das Gehirn dabei macht, das merkt man ja nicht, die Auswirkungen zeigen sich erst später. Dann hilft mehr vom Gleichen, um sofort wieder zu vergessen.

Im gleichen Blatt, zwei Tage davor, war zu lesen, dass in England jedes zehnte neunjährige Kind Pornos schaut. Auf dem Handy ist das überall und auch unter der Bettdecke möglich. Bei den 18-Jährigen seien es bereits 79 Prozent.
England ist glücklicherweise weit weg. Bei uns ist die Lage bestimmt ganz anders…
Diese und andere Bilder bleiben im Kopf, sind nie mehr ungesehen zu machen und wirken. Das Unbewusste ist ein unendlich grosser Speicher, in welchem die Bilder und Informationen vernetzt werden und dann, wenn eine bestimmte Situation eintritt, wieder an die Oberfläche kommen und zu Gefühlen und Handlungen Anlass geben. DAS ist ein Untergrund. DER birgt Geheimnisse und (scheinbar) Vergessenes und Verdrängtes. Den kann man auch nie umgehen oder vermeiden, der läuft mit wie der eigene Schatten (den er ebenfalls birgt). Untersuchungen haben gezeigt, dass unser Gehirn, wenn wir zum Beispiel in einem Film sehen, wie jemand geohrfeigt wird, genauso reagiert, als hätten wir die Ohrfeige kassiert. Das Gehirn macht zwischen Film und unserem physischen Erleben keinen Unterschied.

Wenn Neunjährige Pornos schauen, wer trägt die Verantwortung?
Wenn Kinder stundenlang am Handy hängen, wer trägt die Verantwortung?
Wer trägt die Konsequenzen?

Wir alle.

Ein Tipp: Schauen Sie sich auf YouTube Interviews mit Gerald Hüther oder Manfred Spitzer an, um zu verstehen, wie unser Gehirn funktioniert.

 

 

Samstag, 04. Februar 2023

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