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Gelesen

UnORTHODOX von Deborah Feldman. Eine Freundin hat mir das Buch ausgeliehen, und ich wenigen Tagen war ich durch. Es ist die Geschichte einer Jüdin aus Williamsburg, einem Stadtteil von Brooklyn, New York. Die Geschichte der Autorin. In ihrem Bewerbungsschreiben für eine Hochschule, die sie als junge Mutter heimlich besuchen möchte, schreibt sie, dass sie etwas erreichen wolle, mit dem sie ihren Stempel auf dieser Welt zurücklasse, ein kratergrosses Loch.
Das ist ihr mit ihrem ersten Buch wohl gelungen. Sie hat sich aus ihrer Vergangenheit in der ultraorthodoxen Sekte der satmarer Chassiden herausgeschrieben und lebt heute mit ihrem nun zehnjährigen Sohn in Berlin.
Bevor dies geschehen konnte, hatte sie jahrelang von einem Leben in Freiheit geträumt, hatte begonnen, sich innerlich von ihrer Welt, ihrer Familie und ihrem Mann, mit dem sie als Siebzehnjährige verheiratet worden war, zu lösen. Die eigentliche Loslösung, so schreibt sie am Ende des Buches, sei mit einem Autounfall geschehen. Ihr Auto kam vom Highway ab, überschlug sich und blieb total zusammengestaucht auf dem Dach liegen. Feldman kroch unverletzt wie aus einem Kokon heraus in ein neues Leben. Der Unfall geschah am 09.09.09 – Jahre vorher hatte ihr ein Kabbalist gesagt, die 9 sei ihre Glückszahl, sie solle darauf achten.
Deborah Feldman beschreibt, wie sie bei ihren Grosseltern aufwächst; niemand sagt ihr, weshalb ihre Eltern sie verlassen hatten. Ihre Welt ist klein und strikt reglementiert. Augen und Ohren sind überall. Aber schon als kleines Mädchen sucht sie Freiräume, geht als Jugendliche heimlich in die Bibliothek und leiht sich verbotene englische Bücher aus, die sie zu Hause verstecken muss, und hört weltliche Musik.
Der Körper bleibt ihr ein Geheimnis, nie hat sie den Blick gesenkt und geschaut, wie sie ‹da unten› aussieht. Sie ist – wie alle Mädchen in ihrer Gemeinschaft – nicht auf das Frausein und Sexualität vorbereitet (obwohl sie kurz vor der Heirat wie ihr zukünftiger Ehemann auch einen Heiratskurs absolvieren muss) und erlebt so viel Leid. Sie erzählt offen und unaufgeregt. Man muss sich in ihre Welt hineindenken und -fühlen, um irgendwie begreifen zu können, wie so ein Leben funktioniert, in dem es so viele Gebote und Verbote gibt.
Später entdeckt Deborah Feldman, dass auch die Mädchen aus ’normalen› Familien nicht so frei waren, wie sie geglaubt hatte. Auch diese waren den Vorstellungen und Regeln ihrer jeweiligen Gesellschaftsschicht unterworfen. Weniger offensichtlich, da die Kleider- und Benimmvorschriften unorthodoxer waren.

Und so sind wir alle geprägt durch unsere Herkunft. Es ist ein ganzes Stück Arbeit, diejenige oder derjenige zu werden, die oder der man eigentlich ist. Es ist ein Abenteuer. Jenes von Deborah Feldman war ein grosses; nicht alle müssen so viel hinter sich lassen, wenn sie ihr eigenes Leben leben wollen. Das Buch dieser mutigen Frau zeigt, dass man es aber auch dann schaffen kann.

Die meisten Prägungen geschehen während der Schwangerschaft und der Geburt. In dieser Zeit werden unbewusste Programme gebildet, die unser ganzes Leben dirigieren und manchmal nicht förderlich sind. Es ist möglich, in Prozessarbeit diese Lebensmuster zu erkennen, zu erfühlen und aufzulösen – und anschliessend neue Programme zu installieren. Zusammen mit Esther Moser Büchel habe ich dieses Jahr zwei solche Prozesse mit jeweils grösseren Gruppe durchgeführt. Auch im kommenden Jahr bieten wir diese Möglichkeit wieder an:
am 11. Februar 2017 und am 6. Mai 2017. Genauere Angaben finden Sie auf dem Flyer weiter unten.
Es ist nicht möglich, in einem einzigen Prozess alle uns beengenden Programme, zu aufzulösen. Sie haben sich ja auch nicht alle auf einmal gebildet. Wir sind wie eine Zwiebel angelegt: Schicht um Schicht können wir durcharbeiten. Dazwischen brauchen unsere Psyche und unser Körper immer wieder Zeit, um das Neue zu integrieren.

↓ Beitrag als PDF zum Ausdrucken
Sonntag, 02. Oktober 2016

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