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Gelesen

Denn alles ist vergänglich.
Geschichten aus der Psychotherapie von Irvin D. Yalom.

Ein wunderbares Buch mit Geschichten, die berühren. Yalom begleitet seine Klienten – er nennt sich einen Reiseleiter – und hilft ihnen loszulassen: Dinge, Beziehungen, alles. Manche seiner Klienten sind todkrank. Er selbst ist 85 und der Tod ist auch sein Thema. Dabei ist er voller Leben, Schalk, Freude. Lebensfreude will er denn auch seinen Klienten mitgeben, auch wenn das Leben vielleicht nur noch kurz ist. Der Untertitel eines Films über ihn, Yaloms Cure, heisst deshalb auch: Eine Anleitung zum Glücklichsein.

Yalom wurde 1931 in Washington geboren. Seine Eltern waren kurz vorher aus einem polnischen Stetl in die USA eingewandert. Ein Leben lang arbeiteten sie hart, betrieben einen Gemischtwarenladen. Yalom beschloss mit neun Jahren Arzt zu werden. Sein Vater hatte einen Herzinfarkt erlitten. Der Hausarzt liess das verschreckte Kind am Stethoskop horchen und versicherte ihm, dass alles nicht so schlimm sei und der Vater wieder gesund werde. Den Menschen Gutes tun wie dieser Arzt, das war Yaloms Motivation für das Studium. Eine anstrengende Zeit, denn die amerikanischen Universitäten nahmen damals nur fünf Prozent jüdische Studenten auf. Yalom brauchte also sehr gute Noten.

Er entschied sich für die Psychiatrie, weil man dort schreiben könne. Und das hat er auch immer getan; er hat Millionen von Büchern verkauft. Er schreibt auch heute noch und arbeitet immer noch mit Klienten. Manche kommen nur für wenige Sitzungen zu ihm, manche steigen dafür sogar ins Flugzeug.
Yalom gestaltet mit ihnen eine funktionierende vertrauensvolle Beziehung. Er hört zu, ist ganz präsent, macht Bemerkungen, stellt Fragen, führt die Menschen so, dass sie selbst eine Lösung für ihr Problem finden. Er ist voller Demut. Weiss es nicht besser. Gibt auch offen zu, wenn er sich geirrt hat. Ein Psychotherapeut sei sein Leben lang selbst in Therapie, sagt er im Film. Nie kenne man sich ganz, es gebe immer noch eine tiefere Schicht zu entdecken. Dabei sei Selbsterkenntnis die Voraussetzung für gute Beziehungen.

Was interessiert an Geschichten über andere Menschen, die in Therapie sind? In manchen kann man sich selbst erkennen. Bei manchen ist man einfach nur froh, nicht in der Haut des Beschriebenen zu stecken. Für manche Klienten hegt man Bewunderung, weil sie mutig in den Spiegel blicken und dann Neues wagen. Und immer wieder kommt man ins Staunen darüber, wie Leben auch noch sein kann, wie verworren und schwierig manchmal – und wie man mit Begleitung eines Therapeuten Klarheit schaffen und einen Ausweg finden kann. Und meistens muss man dabei etwas loslassen. Denn alles ist vergänglich.

Manchmal ist es doch so, dass ein Thema innerhalb kurzer Zeit mehrmals auftaucht… Nur einen Tag nach dem Entwurf für diesen Beitrag half ich meiner Mutter (88) Bücher vom Gestell zu nehmen, zu sortieren und die meisten davon in die winwin-Buchhandlung zu bringen. Dabei bemerkte sie: ihr werdet einmal viel zu räumen haben… Wieder einen Tag später – ich ging in meine Praxisräume – traf ich dort im Treppenhaus Verwandtschaft meiner ehemaligen Nachbarin vom oberen Stock, die wenige Tage vorher ins Altersheim gezogen war. Kurz darauf rumorte es über meinem Kopf und krachte und ‹der ganze Haushalt› wurde über den Balkon in die riesige Mülltonne vor dem Haus geworfen. Denn alles ist vergänglich.

Montag, 27. Februar 2017

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