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Vulkanausbruch am Säntis

Der feuerspuckende Säntis – ein Leserbild von Jürgen Gundelsweiler, erschienen im Appenzeller Volksfreund vom 3. November.
Ein schönes Beispiel, um über Wahrnehmung zu sinnieren.

Damit dieses Bild zustande kommen konnte, mussten ziemlich viele Faktoren zusammenspielen: Ort, Zeit, Sehen, SEHEN, Erkennen, Interpretieren, Imaginieren, Sichfreuen, Sichwundern…
Die Faktoren Ort und Zeit sind leicht einsehbar. Sehen auch. SEHEN schon nicht mehr. Es geht dabei nicht nur darum, den Berg und die Wolke zu sehen, sondern das, was als Gesamtbild erscheint, mehr als die Summer der einzelnen Teile. Dafür ist die rechte Hirnhälfte zuständig oder ein Hirn, in welchem die beiden Hirnhälften synchron funktionieren. In unseren Breitengraden ist das leider eher die Ausnahme.
Bei kleinen Kindern arbeitet das Hirn noch auf diese Weise. Wir Erwachsenen geben uns dann aber alle Mühe, das bald zu ändern. Wir geben allem Namen, Etiketten, Eigenschaften und fügen diesen Mitteilungen offen oder unterschwellig noch bei, ob wir die benannten Dinge als positiv oder negativ empfinden. Wir trimmen die Kinder – besonders dann ab dem Kindergarten und der Schule – auf linkshirnig, analytisch, logisch, linear. Und in diesem Fall wird’s mit dem feuerspuckenden Säntis schon schwierig. Den gibt’s ja nicht. Und damit ist für das linke Hirn die Sache erledigt und bestimmt kein Bild wert. Es mag sein, dass Berg und Wolke zwar so ins Blickfeld kommen und auch gesehen werden – aber eben nicht GESEHEN. Dafür sind das synchrone Hirn oder die rechte Hirnhälfte zuständig, die Ganzes wahrnehmen, Verbindungen, Bilder, Zusammenhänge, die über das Lineare, Logische hinausgehen.
Die Welt gesehen aus der linkshirnigen Perspektive ist ziemlich arm, sogar langweilig, ohne Wunder, was Menschen, die linkshirnig ticken, natürlich überhaupt nicht so sehen.

Wenn’s jetzt nur darum ginge, ob wir den Säntis als Vulkan sehen oder nicht, dann wäre die Sache nicht so tragisch. Tatsache aber ist, dass Menschen, die ausschliesslich linkshirnig funktionieren, permanent im Überlebensmodus sind. Die linke Hirnhälfte schätzt ab, ob uns eine bestimmte Situation ‹gefährdet› und es deshalb notwendig ist, Stresshormone auszuschütten. Irgendwie ‹gefährdet› sind wir in unserer Zeit fast immer: wir haben Angst zu spät zu kommen, etwas zu verpassen, etwas nicht zu begreifen, nicht akzeptiert zu werden, nicht gut genug zu sein, den Job zu verlieren, zu wenig zu verdienen, die Rechnungen nicht bezahlen zu können, krank zu werden, ausrangiert zu werden, neue Techniken nicht zu verstehen, älter zu werden. Und wenn das noch nicht reicht, machen wir uns Sorgen wegen der Kinder, der Umwelt, wegen dem Gang der Politik undichweissnichtwasnoch. Grund für das linke Hirn, dauernd auf Stress zu machen. Das hat nun Folgen für den ganzen Körper, denn was soll der mit all den Stresshormonen anfangen, die da permanent ausgeschüttet werden!? Die werden ja nie abgebaut, die belasten den Körper nur, und mit der Zeit hat der genug und bricht zusammen. Das erleben wir doch seit Jahren. Plötzlich brechen Menschen zusammen, die doch sooo gut funktioniert hatten, sooo effizient waren etc.

Es gibt Übungen, die helfen, die beiden Hirnhälften zu synchronisieren. Die einfachste davon ist der ‹Suppentrüller›, den kleine Kinder so gerne machen. Es gibt andere, die sogenannten Überkreuzübungen. Machen muss man sie halt. Spaziergänge in der Natur helfen auch, vorausgesetzt man erachtet sie nicht als sportliche Betätigung oder führt dabei irgendwelche linkshirnigen Gespräche. Helfen tut: langsames Gehen, stehen bleiben, schauen, SEHEN,  riechen, wenn’s warm genug ist die Schuhe ausziehen, die Uhr zu Hause lassen, vielleicht sogar allein unterwegs sein, ohne Handy, HÖREN, am Bach sitzen oder unter einem Baum, den Wolken nachschauen. Und dabei nicht dauernd daran denken, dass man doch noch ’sooo viel Wichtigeres zu tun› hätte. In diesem Fall ‹ist man nicht bei sich›, man ist in der Vergangenheit oder in der Zukunft und damit bereits wieder in der linken Hirnhälfte.

Freitag, 23. November 2018

Eine Antwort zu “Vulkan”

  1. Martin sagt:

    sehr schön geschrieben und sinniert 😉

    danke

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