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Somatische Intelligenz

Denn unsere Essbedürfnisse sind verschieden, weil jeder Mensch anders ist.
Der Körper ist die Wahrheit. Wenn wir lernen, auf ihn zu hören, verstehen wir, was er braucht.

Ein Jahr lang ass ich scharfe schwarze Oliven wie andere Schokolade. Immer war ein Vorrat im Kühlschrank vorhanden. Wenn ich nach Hause kam, war mein erster Gang dorthin, und noch im Stehen ass ich von den schwarzen Früchten. Und eines Tages kein Bedürfnis mehr danach…
Während ich im Jugendjustizheim arbeitete, begann ich Schokolade zu essen. Mit einundvierzig kaufte ich die erste Tafel überhaupt. Schokolade hatte mich früher nicht interessiert. Aber nun ass ich oft eine halbe Tafel pro Tag. Ohne ein Gramm zuzulegen. Mit der Arbeit dort hörte auch das Schokoladeessen auf.
Ich bin ein Brotmensch. Kein Vollkornbrot allerdings. Früchte und Gemüse esse ich nur hin und wieder. Ich kann mir die Auslagen ansehen und sie auch sehr schön finden, was mich aber nicht daran hindert, weiterzugehen ohne zugegriffen zu haben. Komme ich einmal auf die Idee, einige Tage hintereinander Früchte zu essen (oder wie letzthin an zwei Tagen Zitronenwasser mit je einer halben Zitrone – bio wohlverstanden), dann zeigen sich in meinem Gesicht garantiert rote Flecken, die jucken.
Fleisch esse ich seit vielen Jahren nicht mehr. Eines Nachts hatte ich einen Traum, und bereits da war klar, dass ich kein Fleisch mehr essen würde. Am Morgen war das immer noch so. Also hörte ich auf. Drei Wochen später überkam mich noch einmal die Lust auf Schnitzel-pommesfrites. Aber es war abends schon recht spät, ich wollte nicht mehr ins Dorf und verzichtete deshalb. In der darauffolgenden Nacht wieder ein Traum zum Thema Fleisch, und da war’s dann völlig klar.
Es ist Jahre her, dass ich während ungefähr sechs oder sieben Monaten hochallergisch auf Weizen reagierte. Nicht einmal ein paar Stäubchen davon in Saucen vertrug ich. Ich bekam im Bauchbereich sofort offene Stellen, die juckten und gleichzeitig brannten. Ich hütete mich davor, auch nur etwas, das Weizen enthielt, anzurühren. Gleichzeitig war mir bewusst, dass dies alles im Zusammenhang mit einem alten Programm stehen musste. Ich musste nur herausfinden, um was es ging und das Programm löschen… Eines Tages war es dann soweit. Ich wusste es sofort, war mir ganz sicher. Am nächsten Tag ging ich in die Bäckerei und kaufte Brot. Und seit da ist es wieder mein Lieblingsessen.
Ich esse scheinbar nicht ausgewogen, fühle mich aber prima. Die Sätze ganz oben haben mir deshalb aus der Seele gesprochen. Zu finden sind sie in Thomas Frankenbachs Buch Somatische Intelligenz. Hören, was der Körper braucht.

Und genau damit haben wir modernen westlichen Menschen Mühe: mit dem Hören, was der Körper braucht. Mit der zunehmenden Reizflut im Aussen – am Arbeitsplatz, in der Freizeit, durch die ständige Erreichbarkeit, das Fernsehen und die Lärmbelastung – ist den meisten von uns die Fähigkeit der Selbstwahrnehmung abhanden gekommen. Wir merken nicht mehr, welche Bedürfnisse unser Körper hat. Wir folgen deshalb Ernährungsratgebern, den Ratschlägen von Freunden, der Gier nach Junkfood, dem neuesten Trend; weil es eilt, wärmen wir Fertiggerichte oder wir essen ein Durcheinander, das unserer Verdauung nicht bekommt. Das Bauchgefühl wird vom Kopf übertönt. Und was weiss der schon von der Verdauung.

Frankenbach zeigt auf, wie wir im Westen über die Jahrhunderte zu unserem Essverhalten gekommen sind. Die Ernährungssysteme der Traditionellen Chinesischen Medizin oder im Ayurveda, die über viele Jahrhunderte entwickelt wurden, legen Wert auf die Konstitution und die Lebenssituation eines Menschen, um Empfehlungen für seinen Speisezettel zu machen. Wichtig ist die Bekömmlichkeit der Speisen. Nicht allen bekommt alles.

Die Lösung liegt im Üben der Selbstwahrnehmung. Dies führt zu Eigenverantwortung – die eigenen Antworten auf anstehende Fragen finden, in diesem Fall auf Ernährungsfragen. Das gibt Selbstsicherheit und Selbstwert.
Selbstwert ist nie zu haben, ohne im Einklang mit dem Körper zu sein.
Es geht also darum, neben der rational-kognitiven Intelligenz, die in unserer Kultur so hochgehalten wird, auch die somatische Intelligenz (und weitere Intelligenzen) zu pflegen.

Thomas Frankenbach hat Ernährungswissenschaften sowie psychosoziale, integrative und komplementäre Gesundheitswissenschaften studiert. Er leitet den Fachbereich Ernährung und Bewegung in einer der traditionsreichsten Reha-Kliniken in Deutschland.
Basierend auf seinem Bild vom Menschen als einer Leib-Geist-Einheit betreut er weltweit führende Spitzensportler sowohl in psychologischer Hinsicht als auch in Fragen einer individuellen Ernährungs- und Trainingsgestaltung.
Hier hat mir imponiert, dass er sagt, dass er den SportlerInnen ihre Ernährung nicht vorschreibt, sondern sie trainiert, dass sie ihre Körpersignale wahrnehmen und ihnen folgen, so dass der Körper genau das bekommt, wonach er verlangt. So berichtet er von Spitzensportlern, die seit Jahren überhaupt keine Früchte essen (!) und kerngesund und sehr leistungsfähig sind. Frankenbachs Ziel ist es, dass der Körper durch die hohe Belastung nicht Schaden nimmt die Ernährung auch zu einer guten geistigen Verfassung beiträgt.

Am 23. August und am 16. November 2017 werde ich im Gymnasium Appenzell jeweils um 19.30 Uhr einen öffentlichen Vortrag zum Thema ‹KÖRPERliches› halten. Während den Vorbereitungen dazu bin ich auf Frankenbachs Buch gestossen, das mich sehr inspiriert hat. Ich werde aber beileibe nicht nur über die Ernährung sprechen – fast gar nicht – es gibt noch so viele andere interessante und wichtige Themen rund um unseren Körper.

Samstag, 06. Mai 2017

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