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Das geheime Leben der Bäume

«Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.
Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden und tauscht bei ihnen seine Seele um. 
Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.
Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.» schrieb Erich Kästner

In seinem Buch Das geheime Leben der Bäume. Was sie fühlen, wie sie kommunizieren – die Entdeckung einer verborgenen Welt erfährt man von Peter Wohlleben, wie wichtig für Mensch und Umwelt die Wälder sind. Wahrscheinlich ist dies den meisten von uns schon klar. Und doch wissen wir oft nicht so genau, wie Bäume, wie das System Wald, funktioniert. In Wohllebens Buch wird dies leicht verständlich und spannend beschrieben.

Ein Beispiel von vielen, die mich fasziniert haben:
Im Kapitel Wasserpumpe Wald zeigt Wohlleben auf, wie es die Wälder sind, die das Nass der Wolken vom Meer her ins Landesinnere weiterreichen – sofern, es Wald ‹ohne Unterbruch› gibt. Die Feuchtigkeit wird über dem Meer in Wolken gespeichert und mit dem Wind ins Landesinnere verfrachtet. Weil es dort trockener wird, regnen die Wolken aus. Und steht da kein Wald mehr, so war’s das. Es entsteht dann nach ungefähr 600 Kilometern Wüste.
Ein Quadratmeter Wald hat 27 Quadratmeter Blatt- und Nadelwerk, und da bleibt ein Teil der Feuchtigkeit, die der Regen liefert, hängen und wird gleich wieder verdunstet. Zusätzlich geben die Bäume im Sommer bei ihrer Atmung viel Wasser an die Luft ab. Es entstehen also erneut Wolken. Der Wind treibt sie weiter ins Landesinnere – und das Spiel setzt sich fort und fort bis in die entlegensten Gebiete. Wenn es denn Wald gibt. Vor allem der Küstenwald ist wichtig. Wenn der schon fehlt, dann bricht das System zusammen.

Ich bin recht oft im Wald unterwegs und staune, wie selten ich da jemanden antreffe. Man geht scheint’s heutzutage eher in einen Escape Room, der Adrenalinspiegel muss aufrecht erhalten werden.
Ein Waldspaziergang kann therapeutisch wirken. So sieht es jedenfalls der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff. Der empfiehlt Eltern, die mit ihren Kindern eine ungesunde Symbiose eingegangen sind und nun als deren Anwälte fungieren und bis ins Kleinste Kontrolle haben wollen, alleine laaange Waldspaziergänge zu machen – und selbstverständlich ohne Handy oder Hund oder sonstwas. Und dies zuerst häufig und dann immer wieder, damit kein Rückfall riskiert wird. Diese Eltern sind nämlich nicht mehr sie selbst, und ihre Kinder können es deshalb auch nicht sein. Die Eltern empfinden ihren Nachwuchs wie einen eigenen Körperteil, ohne den man nicht sein kann und denken und tun für die Kinder und halten sie so auf dem emotionalen Niveau eines etwa 18-monatigen Kindes – mit tragischen Konsequenzen für alle Beteiligten. Im Wald finden sie wieder zu sich. Da ist Ruhe und nichts ausser Bäumen, die schiefe Wahrnehmung kommt wieder ins Lot, der Stress wird heruntergefahren, das Tempo mit der Zeit langsamer und die Augen gehen auf.
Der Wald hat keinen Mentalkörper – Bäume sind weise, haben aber keine Gedanken und produzieren so auch keinen Gedankenmüll – deshalb wirkt die Waldatmosphäre auf uns Menschen beruhigend und klärend, unser Verstand passt sich dem an. Waldmediziner Qing Li hat nachgewiesen, dass eine Stunde Aufenthalt im Wald den Blutdruck signifikant senkt und die Lungenkapazität erhöht. Die Arterien werden elastischer und die Ausschüttung von Stresshormonen wird verringert. Waldbaden – so heisst die Therapie von Prof. Qing Li – ist eines der grössten Geschenke, die wir unserem Körper machen können.
Dafür verlangt der Wald keinen Eintritt und kein Honorar.
Nur Respekt und Achtung.
Die werden noch mehr, wenn man Peter Wohllebens Buch liest.

 

 

Dienstag, 11. Februar 2020

3 Antworten zu “Die Wälder schweigen”

  1. Martin Büchel sagt:

    «Bäume statt Grabsteine

    Was wäre, wenn wir an Stelle von Grabsteinen
    Bäume auf Gräber pflanzen?

    Wäre das nicht wunderbar? Stellt euch doch einmal einen Friedhof vor,
    der nach diesem Prinzip arbeitet.

    Innerhalb von ein paar Jahren wäre er ein Wald!

    Man würde jeden der Bäume in Ehren halten, da sie alle geliebte Verstorbene repräsentieren.

    Für die kommenden Generationen werden diese Bäume sowohl eine Erinnerung an die Vergangenheit als auch Sicherheit für die Zukunft repräsentieren.

    Denn man müsste sich keine Gedanken mehr über schwindenden Baumbestand mehr machen, da wir Menschen mit dieser Idee selbigen sichern würden.

    Was haltet ihr davon?»

  2. Regina Suter sagt:

    Habe das Buch schon selbst gelesen und es hat mich erstaunt was zu was die Natur alles im Stande ist.
    Und die Idee mit den Bäumen finde ich super. Die Menschen könnten in den Bäumen «weiterleben» und so
    hätte der Tod nicht nur etwas düsteres, sondern es würde daraus wieder Leben enstehen. Wäre ein schöner Kreislauf.
    Viele Grüsse
    Regina

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