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Tragen

Was wir tragen:
Lasten, Kleider, Verantwortung, Titel, einen Namen… Das Gewicht der Ersteren ist merklich; Kleider sind nur im Winter schwer oder wenn sie vom Regen durchnässt worden sind. Verantwortung, Titel und Namen wiegen scheinbar nichts. Scheinbar. Die Zeit belehrt uns oft eines anderen. Wenn sich der Körper meldet, der Schlaf sich nicht mehr so leicht einstellt, wenn Zufriedenheit und Freude schwinden – dann spüren wir, dass auch Verantwortung, Titel und Namen belasten können.

Im Museum Appenzell besuchte ich kürzlich die Ausstellung zum Thema ‹Tragen›. Von dort stammen auch die Fotos. Nichts Spektakuläres. Und trotzdem sehr interessant. Viele der Ausstellungsstücke erinnerten mich an meine Kindheit, eine Zeit, wo sie noch in Gebrauch waren.

Da gibt’s zum Beispiel eine ‹Chränze›, wie sie damals von den HausierenInnen verwendet wurde. Die erinnerte mich an Babette Müller, die ab und zu an unserer Haustüre schellte. Meine Mutter liess sie eintreten, Babette stellte ihre schwere Last ab und zählte auf, was sie anzubieten hatte. Backwaren. Meine Mutter kaufte meistens ungefüllte Biberfladen (wir füllten sie zum Znüni dann mit Butter) oder Birnbrot. Babette machte auf mich grossen Eindruck. Von welcher Sorte genau, konnte ich nicht sagen. Sie war eher klein und rundlich; mir erschien sie damals alt (aber für Kinder sind alle Leute über dreissig oder vierzig alt). Sie hatte schlechte Zähne und auch nicht mehr alle, und sie sprach undeutlich. Ich verstand nicht immer alles von den Neuigkeiten, die sie uns ins Haus trug. Das Auffälligste an ihr waren die Schuhe. Viel zu grosse, wie kleine Boote, in denen ihre ‹bösen› Füsse Platz hatten. Ich mochte Babette irgendwie, auch wenn sie mir nicht ganz geheuer war. Ich mochte alle unsere Dorforiginale.

Die lederne Briefträgertasche erinnerte mich daran, dass früher der Briefträger zu Fuss unterwegs gewesen war, weite Wege übers Land und die Hügel ging und dass er die Post zweimal am Tag verteilte. Immer hatte er auch noch Zeit für einen Schwatz.

Zu denken gaben mir die Fotos, welche Kuhgespanne zeigten. Die Menschen in dieser Gegend hatten oft kein Geld für ein Pferd, so zogen Kühe oder Ochsen die Lasten. Wunderschöne Tiere! Wenn ich daran denke, wie manche Kühe heute aussehen – mir kommen beinahe die Tränen. Die Knochen stechen fast durch die Haut, riesige Euter, die die Tiere beim Gehen behindern, keine Hörner – ein Schatten ihrer selbst.

Noch mehr Erinnerungen: die Milch holten wir als Kinder mit dem Milchchesseli beim Milchmann Schoch an der Strasse, den Ghüder brachten wir im Ochsnerkübel auch an die Strasse. Abgeholt wurde er von Fuhrmann Preisig mit dem Rosswagen (wenigstens noch eine Zeit lang) und unser Nachbar Chuered Preisig brachte die Gülle mit der Benne auf die Wiese und schöpfte sie mit einer Kelle aus dem hölzernen Gefährt.

Das alles ist noch gar nicht so lange her. Gut fünfzig Jahre.

Dienstag, 17. Januar 2017

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